Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Beauftragte für Menschen mit Behinderung sind enttäuscht

Britta Brünn und Uta Herrnring Vollmer (Beauftragte für behinderte Menschen der Gemeinde Henstedt-Ulzburg)

Am 28. Juni 2021 wird der Bundesrat voraussichtlich das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verabschieden. Für viele Organisationen, die sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung einsetzen, ist es der Schritt in die richtige Richtung, da es dafür sorgt, dass Menschen mit Behinderung und ältere Menschen ganz alltägliche Dinge und Dienstleistungen wie Computer, Tablets, Bank- und Ticketautomaten künftig barrierefrei nutzen können. Oft führt das auch zu finanziellen Erleichterungen, da speziell angefertigte Produkte meistens teurer sind. Doch dieser Schritt geht Einrichtungen und Verbänden, die sich um Menschen mit Behinderung kümmern, nicht weit genug.

Britta Brünn und Uta Herrnring-Vollmer, Beauftragte für Menschen mit Behinderung der Gemeinde Henstedt-Ulzburg, beklagen, dass die im Gesetz aufgeführten Produkte und Dienstleistungen nur zum Teil erfasst wurden. Leider behandelt das Gesetz auch nicht die bauliche Barrierefreiheit. Kleinere Unternehmen oder Unternehmen, die weniger als zwei Millionen Euro Jahresumsatz haben, sind von dem Gesetz nicht betroffen.

Am meisten sind die Beauftragten für Menschen mit Behinderung aber darüber enttäuscht, dass das Gesetz erst im Juni 2025 in Kraft tritt und dann noch eine Übergangszeit bis zum 27. Juni 2030 hat. „Die Umstellung von Selbstbedienungsterminals, z.B. bei Banken oder der Terminals im Zug- und Flugverkehr sowie im Öffentlichen Personen Nahverkehr muss erst bis 2040 erfolgen. Dieser lange Zeitraum ist in unseren Augen nicht hinnehmbar“, so Uta Herrnring-Vollmer.

Wie viele Verbände und Organisationen treten die beiden Beauftragten für eine Verkürzung der Anwendungs- und Übergangsfristen ein. Auch erachten sie es als sinnvoll, dass im Privatbereich insbesondere beim Hochbau die Barrierefreiheit vorgeschrieben wird. „Was nützt 2040 ein barrierefreies Selbstbedienungsterminal in einer Bank, wenn der Zugang zum Gebäude nicht barrierefrei ist?“, fragt Britta Brünn.

Die Sensibilisierung für das Thema Barrierefreiheit sollte in den Augen der Beauftragten für Menschen für Behinderung verstärkt werden. Es sollte Bestandteil in der Ausbildung werden, gerade in Bereichen, die durch vorausschauendes Handeln Barrierefreiheit befördern können, wie z.B. im Bereich Architektur oder Informatik.

Beide sind überzeugt, dass Barrierefreiheit niemandem schadet, sondern einer Vielzahl von Menschen nützt. Eine Rampe helfe beispielsweise nicht nur Menschen im Rollstuhl, sondern auch denen, die eines Rollators bedürfen, einen Kinderwagen schieben, Helfern beim Umzug und schließlich auch Rettungssanitätern, die in einem Notfall mit der Trage kommen müssen.

Dass das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz mit seinen langen Übergangsfristen zu wenig ambitioniert ist, findet auch Thorsten Wiemer, Leiter der Einrichtung des Rauen Hauses am Gräflingsberg. Er will durch einen Aushang in seiner Einrichtung auf das Thema aufmerksam machen, um so mit den Klientinnen und Klienten sowie Mitarbeitenden vor Ort ins Gespräch zu kommen.

Britta Brünn und Uta Herrnring Vollmer
(Beauftragte für behinderte Menschen der Gemeinde Henstedt-Ulzburg)

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