Wann ist ein Mann ein Mann?

Was Männlichkeit ist, entscheidest du!

Philip Haug, Leiter der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Henstedt-Ulzburg von IN VIA Hamburg e.V. zusammen mit Svenja Gruber

2021 mussten im Kreis Segeberg 437 schutzsuchende Frauen und Kinder aufgrund mangelnder Kapazitäten vom Frauenhaus abgewiesen werden. Die Anzahl an Absagen bis Mitte 2022 betrug bereits 328. Das Norderstedter Frauenhaus hat 28 Plätze und der Kreis hat 15 Notwohnungen geschaffen.
Gewalt ist in vielen Familien trauriger Alltag. In Deutschland ist fast jede vierte Frau in ihrem Leben von häuslicher Gewalt betroffen, und jährlich fliehen rund 45.000 Frauen mit ihren Kindern in Frauenhäuser. Häusliche Gewalt hat während der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Vielfach sehen die Opfer ihre Lage als aussichtslos an.

„Gewalt gegen Frauen ist ein anhaltendes gravierendes Problem und der Kampf dagegen sowie der Schutz davor eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die durch die Istanbul-Konvention geltendes Recht darstellt“, sagt Gleichstellungsbeauftragte Svenja Gruber. Bedarfsanalysen im Land SH zeigen, dass es generell und auch im Kreis Segeberg zu wenig Schutzräume gibt. Die Politik ist aufgefordert, hier Abhilfe zu schaffen – kleine Tropfen kommen bereits auf dem heißen Stein an (Stichwort: Notwohnungen). Svenja Gruber fordert weitere Schutzräume einzurichten, auch in Henstedt-Ulzburg.

„Aber auch die Gesellschaft – jeder und jede – sind aufgefordert zu handelt“, ruft Svenja Gruber auf. Deswegen wurde die Kampagne „Männlichkeit entscheidest Du“ in der Anti-Gewalt-Woche vom 21.-25. November im Rathaus und im Jugendzentrum „Tonne“ gezeigt: hier sprechen sich Männer aus Schleswig-Holstein für positive Männlichkeit und gegen Sexismus und Gewalt aus. Der Landesverband Frauenberatung Schleswig-Holstein e.V. (LFSH) hat die Kampagne entwickelt, die inzwischen auch bundesweit ausgestellt wird.

In Kooperation mit Philip Haug, dem Leiter der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Henstedt-Ulzburg von IN VIA Hamburg e.V., wurden am Donnerstag mittags auf dem Wanderweg Höhe Alstergymnsium von den Bäckereien Wagner und Rathjen gespendete Brötchentüten mit dem Aufdruck „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ verteilt und Informationsmaterial in selbsthergestellten Jutebeuteln mit dem Slogan „Machos haben ausgedient – sei sexy, nicht sexistisch!“ überreicht. „Die Kampagne bietet uns die Möglichkeit, mit den Jugendlichen über Männlichkeit ins Gespräch zu kommen. Die verschiedenen männlichen Role Models mit klaren Statements gegen Gewalt an Frauen und Mädchen zeigen eine positive Männlichkeit “, findet Philip Haug. „Denn: wann ein Mann ein Mann ist, und was Männlichkeit ist – das entscheidet jeder einzelne selbst“, ist Philip Haug überzeugt.

Ziel der Aktionswoche rund um den Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ist, für das Thema „geschlechtsspezifische Gewalt“ zu sensibilisieren, Wege aus der Gewalt aufzuzeigen und über das Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen zu informieren.


Hilfe für Betroffene

  • Keine muss mit der erlebten Gewalt alleine bleiben.
  • Rund um die Uhr und in 17 Sprachen ist das Bundeshilfetelefon Gewalt gegen Frauen erreichbar unter 08000 116 016.
  • Die Frauenberatungsstellen und –notrufe in Schleswig-Holstein bieten professionelle Unterstützung: www.lfsh.de/beratungsstellen
  • Vor Ort berät der Frauentreffpunkt in Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen:
    telefonische Erreichbarkeit Mo/Mi/Fr 10-12h und Di 16-19h und Do 15-17h

Die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, ist bereits seit fast 5 Jahren geltendes Recht in Deutschland.

Das Besondere an der Istanbul-Konvention ist die Ausrichtung auf die strukturellen Ursachen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Das Übereinkommen des Europarats benennt mangelnde Gleichberechtigung als eine Hauptursache für Gewalt gegen Frauen und Mädchen. „Ungleiche Chancen von Frauen und Männern, Abhängigkeiten und mangelnde Gleichstellung sind nicht nur unfair – sie sind für Frauen auch gefährlich, weil sie häusliche Gewalt begünstigen“, weiß Svenja Gruber.

Im Umkehrschluss nennt die Istanbul-Konvention die Erreichung von Gleichstellung als zentrale Präventionsmaßnahme: Gleichstellung bedeutet Selbstbestimmung und Sicherheit für Frauen. Die Konvention zielt deswegen sowohl auf die Stärkung der Gleichstellung von Mann und Frau als auch auf das Recht von Frauen auf ein gewaltfreies Leben. Die Umsetzung der Istanbul-Kon-vention bietet die große Chance, aktiv einen öffentlichen Diskurs über bestehende Machtverhältnisse und veraltete Rollenbilder zu führen, gesellschaftlichen Wandel anzustoßen und ge-schlechtsspezifischer Gewalt den Nährboden zu entziehen.

„Gleichstellung und Gewaltschutz sind Qualitätsstandards einer Kommune und ein Gewinn für alle Bürgerinnen und Bürger“, sagt Gleichstellungsbeauftragte Svenja Gruber.

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